7 ADHS-Typen nach Daniel Amen – oder doch nur 3?
Die 7 ADHS-Typen nach Daniel Amen
Vielen werden die 3 etablierten ADHS-Typen bereits bekannt sein. 2013 veröffentlichte der Psychiater Dr. Daniel G. Amen jedoch ein Buch mit dem Titel „Healing ADD: The Breakthrough Program that Allows You to See and Heal the 7 Types of ADD“ (ADS heilen: Das bahnbrechende Programm, das es Ihnen ermöglicht, die 7 Arten von ADS zu erkennen und zu heilen). In diesem Buch stellt er sieben verschiedene ADHS-Typen vor, die jeweils unterschiedliche Behandlungsmethoden erfordern.
Diese 7 ADHS-Typen umfassen
- Classic ADD („klassisches ADS“)
- Inattentive ADD („unaufmerksames ADS“)
- Over-focused ADD („über-fokussiertes ADS“)
- Temporal Lobe ADD („Temporallappen-ADS“)
- Limbic ADD („Limbisches ADS“)
- Ring of Fire ADD (ADD Plus) („Feuerring-ADS/ADS Plus“)
- Anxious ADD („ängstliches ADS“)
Dr. Amen geht somit von mehr als doppelt so vielen Subtypen aus, wie in der wissenschaftlichen Gemeinschaft allgemein anerkannt sind. Die anerkannten ADHS-Typen umfassen:
- den vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typ (ADHS-HI)
- den vorwiegend unaufmerksamen Typ (ADHS-I)
- den Mischtyp (ADHS-C)
Die „Grundlage“ der 7 ADHS-Typen
In diesem Artikel werden die drei anerkannten Typen detailliert erklärt. Doch wie viele gibt es nun wirklich? Sind die drei „konventionellen“ ADHS-Typen veraltet? Um diese Fragen zu beantworten, sollten wir uns zunächst die Basis der von Dr. Amen postulierten sieben ADHS-Typen anschauen.
Zunächst ist zu erwähnen, dass Dr. Amen hierzu keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen, geschweige denn peer-reviewte Artikel (das sind Artikel, die andere Wissenschaftler:innen gegenlesen und prüfen und freigeben), vorgelegt hat. Auf der Website seiner Klinik, den „Amen Clinics“, wird angegeben, dass er die Typen mithilfe von SPECT-Scans identifiziert hat. Klingt sehr wissenschaftlich, oder? 😉
Die SPECT oder Single-Photon-Emissionscomputertomographie ist ein bildgebendes Verfahren, bei dem die zu untersuchende Person einen radioaktiver Tracer aufnimmt, der sich im Körper verteilt. Diese Verteilung wird anschließend gemessen, wodurch aktivere Bereiche sichtbar werden. Auch das klingt sehr professionell. Wenn man jedoch genauer hinsieht, kommen erste Zweifel.
SPECT-Scans und ADHS
Es ist wichtig anzumerken, dass SPECT-Scans des Gehirns zur Diagnose neurodegenerativer und neurovaskulärer Erkrankungen geeignet sind. Dazu gehören unter anderem Demenz, Parkinson, Schlaganfälle oder Epilepsie. Für ADHS ist dieses Verfahren nicht geeignet, da bildgebende Verfahren für die Diagnose psychiatrischer Erkrankungen nicht spezifisch und sensitiv genug sind.
Eine erst letztes Jahr veröffentlichte Meta-Analyse betont, dass es zwar einige vielversprechende Biomarker zur Diagnose von ADHS gibt, diese aber weitere Forschung erfordern, um deren Zuverlässigkeit in größeren Studien zu bestätigen. Kurz gesagt: nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft gibt es keine ADHS-spezifischen Biomarker; die Diagnose erfolgt ausschließlich auf der Grundlage von Verhaltensbeobachtung, Fragebögen und Gesprächen. Körperliche Untersuchungen werden im Diagnoseverlauf zwar auch durchgeführt, dienen aber lediglich dem Ausschluss anderer Erkrankungen.
Die 7 Typen im Detail
Wenn man sich Dr. Amens ADHS-Typen genauer anschaut, fällt auf, dass die beschriebenen Symptome einen Mix aus ADHS-Symptomen und Symptomen anderer Erkrankungen darstellen. Wir haben das Ganze für jeden Typ einzeln aufgeführt:
„Classic ADD“
Der erste von Dr. Amens 7 ADHS-Typen ist „Classic ADD“, also klassisches ADS. In der nebenstehenden Tabelle wird schnell ersichtlich, dass sich hinter dem Typ der Mischtyp versteckt. Je 7 der 14 angeführten Symptome lassen sich dem hyperaktiv-impulsiven Typ ADHS-HI und dem unaufmerksamen Typ ADHS-I zuordnen.
„Inattentive ADD“
Die Symptome dieses Typs beschreiben den unaufmerksamen Typen im Sinne der 3 anerkannten ADHS-Typen. Hier liegt also keine Vermischung von ADHS und einer anderen Erkrankung vor; dieser Typ ist valide:
„Overfocused ADD“
Beim „überfokussierten ADD“ erkennt man Symptome von ADHS sowie OCD, also einer Zwangsstörung. Allerdings ist bei diesem Typen der Einfluss der anderen Erkrankung nicht so stark wie bei den restlichen Typen, die im Folgenden beleuchtet werden. Außerdem ist das drittletzte Symptom – die Tendenz, auf seiner eigenen Meinung zu beharren und nicht auf andere zu hören – weder ein klares ADHS-Symptom noch ein Symptom, das bei Zwangsstörungen in der Regel auftritt.
„Temporal Lobe ADD“
Dieser Typ ist gekennzeichnet durch ADHS-Symptome und Symptome einer Schizophrenie-Erkrankung:
Ein Symptom („headaches or abdominal pain of uncertain origin“, also Kopf- oder Unterleibsschmerzen unbekannter Herkunft) ist weder ADHS noch Schizophrenie zuzuordnen. Allerdings tritt es oft bei der Temporallappenepilepsie auf, deren Symptomatik sich mit der von Schizophrenie überschneidet. Zudem können Kopfschmerzen auch eine Folge einer schwereren Kopfverletzung sein oder einfach nur stressbedingt auftreten.
„Limbic ADD“
Beim „limbischen ADHS“ scheint Dr. Amen einige ADHS-Symptome mit Symptomen einer Depression kombiniert zu haben und als weiteren ADD Typ definiert.
„Ring of Fire ADD (ADD Plus)“
Das „Feuerring-ADS“, auch „ADS Plus“ genannt, zeichnet sich aus durch den Mix aus Symptomen von ADHS und denen einer bipolaren Störung. Im Speziellen treffen einige der Symptome auf die Symptomatik während einer manischen Episode zu:
Das Symptom „appears anxious or fearful“ lässt sich nicht klar zuordnen: es ist weder ein fester Bestandteil von ADHS noch von der bipolaren Störung.
„Anxious ADD“
„Anxious ADD“, das „ängstliche ADS“, weist eine kompliziertere Symptomatik auf. Die Symptome treffen auf mehrere Erkrankungen zu, die jedoch häufige Begleiterkrankungen von ADHS sind: zum einen Angststörungen, unter denen ca 25-50% der Menschen mit ADHS leiden, zum anderen soziale Phobien, die bis zu 30 % betreffen (siehe hier). Rejection Sensitive Dysphoria hingegen erfährt fast jede Person mit ADHS. Mehr zu RSD steht bereits in diesem Artikel.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die von Dr. Daniel G. Amen vorgeschlagenen sieben ADHS-Typen auf einer nicht wissenschaftlich belegten Grundlage basieren und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht anerkannt sind.
Während Dr. Amen SPECT-Scans zur Identifizierung dieser Typen verwendet, zeigt die aktuelle Forschung, dass bildgebende Verfahren wie SPECT-Scans nicht spezifisch und sensitiv genug sind, um ADHS zuverlässig zu diagnostizieren. Die Diagnose von ADHS erfolgt weiterhin durch Verhaltensbeobachtungen, Fragebögen und Gespräche. Es gibt zwar vielversprechende Ansätze zur Identifizierung von Biomarkern, doch diese benötigen noch umfassende Forschung, um als zuverlässige Diagnosewerkzeuge anerkannt zu werden.
Außerdem zeigt sich bei einer genaueren Betrachtung der sieben ADHS-Typen, dass sie kaum voneinander abgrenzbar betrachtet werden können. Vielmehr hat Dr. Amen die häufigsten Begleiterkrankungen und andere psychische Störungen mit ADHS kombiniert.
Diese Darstellung kann irreführend sein, da sie die Komplexität und das Zusammenspiel der verschiedenen Störungen nicht ausreichend berücksichtigt und damit die korrekte Diagnose und zielführende, effektive Behandlung von Menschen mit ADHS erschwert. Es ist wichtig ADHS und die Begleiterkrankungen differenziert zu betrachten, um eine fundierte und wirksame Unterstützung für Betroffene sicherzustellen.
Solange es keine wissenschaftlichen Forschungen mit passenden Methoden gibt, die nachweisen können, dass eine alternative Struktur mit anderen ADHS-Typen sinnvoll ist, bleibt die konventionelle Einteilung in drei ADHS-Typen. Auch wenn es etwas langweilig ist 😅