ADHS bei Kindern erkennen – offizielle ADHS Checkliste für Kinder
ADHS bei Kindern erkennen – offizielle ADHS Checkliste für Kinder
Ich möchte zu Beginn dieses Beitrags klarstellen, dass ich „nur“ Psychologin bin, aber weder die Befugnisse einer klinischen Psychologin noch die einer Psychiaterin besitze. Dies bedeutet, dass ich keine offiziellen Diagnosen stellen darf. In diesem Artikel soll es nicht darum gehen, eine Selbstdiagnose zu fördern, denn eine professionelle Diagnose kann nur von entsprechend ausgebildeten Fachpersonen durchgeführt werden. Dennoch kann ein gut informierter Blick auf die eigenen Verhaltensmuster und Schwierigkeiten hilfreich sein, um zu entscheiden, ob eine fachliche Abklärung sinnvoll ist.
ADHS Checkliste für Kinder
Nachdem mein beruflicher Schwerpunkt die Arbeit mit Erwachsenen mit ADHS ist, aber ADHS eine starke genetische Komponente hat, bekomme ich immer wieder die Frage, wie man ADHS beim eigenen Kind erkennt.
Um ein besseres Verständnis für ADHS bei Kindern zu entwickeln, beginnen wir mit einer Checkliste, die primär für Kinder gedacht ist. Diese Liste sollte nicht als Diagnosewerkzeug, sondern als Orientierungshilfe betrachtet werden.
Unaufmerksamkeit
- a. Das Kind hat Schwierigkeiten, seine Aufmerksamkeit auf Details zu richten und macht oft Flüchtigkeitsfehler bei Hausaufgaben oder anderen Aufgaben.
- b. Das Kind findet es herausfordernd, bei Aufgaben oder Spielen lange dabei zu bleiben und verliert oft das Interesse nach kurzer Zeit.
- c. Oft wirkt das Kind, als würde es nicht zuhören, selbst wenn direkt mit ihm gesprochen wird.
- d. Anweisungen werden häufig nicht vollständig befolgt und Aufgaben nicht zu Ende geführt, nicht aus Ungehorsam, sondern weil das Kind leicht abgelenkt wird.
- e. Das Kind hat Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren. Es verliert oft die Übersicht, beginnt Aufgaben ohne klare Struktur und kann schlecht mit der Zeit umgehen.
- f. Das Kind meidet oder zögert bei Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengung erfordern, wie etwa das Lesen langer Bücher oder die Teilnahme an langwierigen Projekten.
- g. Es verliert häufig wichtige Gegenstände, die es für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt, wie Schulmaterialien oder Schlüssel.
- h. Das Kind wird leicht durch äußere Reize wie Geräusche oder schnelle Bewegungen abgelenkt.
- i. Das Kind vergisst häufig Aufgaben und Anweisungen, die es erhalten hat, und hat Schwierigkeiten, sich an Verpflichtungen zu erinnern.
Hyperaktivität
- a. Das Kind zeigt häufig unruhiges Verhalten: Es bewegt sich ständig, zappelt auf dem Stuhl, wippt mit den Füßen, und hat Schwierigkeiten, ruhig zu sitzen. Es kann nicht stillhalten, selbst beim Schlafen ist es unruhig und ändert oft seine Lage. In Warteschlangen oder ähnlichen Situationen, in denen Ruhe erwartet wird, fällt es dem Kind schwer, still zu stehen oder zu sitzen.
- b. Das Kind kann nicht stillsitzen, steht häufig auf, wenn es sitzen sollte, und wirkt während Aktivitäten oder im Unterricht unruhig.
- c. Es klettert oder rennt herum in Situationen, in denen dies nicht angebracht ist, wie zum Beispiel in Geschäften oder bei öffentlichen Veranstaltungen.
- d. Beim Spielen oder in Gruppen ist das Kind oft auffällig laut und nimmt keine Rücksicht auf die Lautstärke seiner Umgebung.
- e. Das Kind wirkt getrieben und ist ständig in Bewegung, kann bei ruhigen Aktivitäten nicht stillsitzen und zeigt eine allgemeine Unruhe.
- f. Es redet oft ohne Unterbrechung, hört anderen nicht zu, unterbricht und scheint desinteressiert an der Kommunikation.
- g. Das Kind platzt oft mit Antworten heraus, bevor die Frage vollständig gestellt ist, und hat Schwierigkeiten, seine Gedanken zu kontrollieren.
- h. Es hat große Schwierigkeiten zu warten, drängelt in Schlangen und möchte immer der/die Erste sein.
- i. Das Kind kann nicht lange warten und unterbricht Spiele oder Aktivitäten anderer Kinder, was oft zu Konflikten führt.
- j. Das Kind handelt oft unüberlegt und ohne die Konsequenzen seines Verhaltens zu bedenken, was häufig zu impulsiven Entscheidungen führt.
- k. Es reagiert übermäßig schnell und intensiv, oft ohne offensichtlichen Grund und hat Schwierigkeiten, seine Emotionen zu kontrollieren.
- l. Das Kind nimmt sich nicht die notwendige Zeit für Aufgaben und ist schnell frustriert, wenn Dinge nicht sofort gelingen.
- m. Es zeigt risikoreiches Verhalten, ohne die Gefahren zu erkennen oder zu berücksichtigen.
Zusätzliche Kriterien für die Diagnose
- A. Symptome müssen in zwei oder mehr Bereichen des Lebens, wie Schule und Zuhause, signifikant und konsistent auftreten und die Qualität des Lebens beeinträchtigen.
- B. Eine Diagnose erfordert eine signifikante Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder Entwicklung des Kindes und sollte durch eine detaillierte Auswertung von Verhalten und Umfeld bestätigt werden.
- C. Es sollte keine bessere Erklärung für die Symptome geben, wie zum Beispiel geistige Behinderung oder extreme Umweltbedingungen. Medizinische Gründe müssen ausgeschlossen werden können (Mangelerscheinungen, Schilddrüsenerkranken, verringertes Seh- oder Hörvermögen).
Diese Checkliste ist sehr ausführlich und orientiert sich an den Kriterien nach DSM-V. Einem „Kompendium“ für Diagnostiker:innen von psychischen Krankheiten.
Dazu eine wichtige Anmerkung: Nachdem ADHS eine Dopamin-Mangel-Erkrankung ist, ist es wichtig zu bedenken, dass in Situationen, in denen natürlicher Weise Dopamin ausgeschüttet wird, die Symptome nicht zum Tragen kommen. Dies ist aber dann kein Argument gegen die Diagnose, sondern gerade dafür. Auf diese Falle bin auch ich als Psychoglogin anfangs hereingefallen.
ADHS bei Kindern erkennen – eine persönliche ADHS Geschichte
Lassen Sie es mich an einer persönlichen Geschichte erklären: Meine Tochter konnte und wollte nie still sitzen oder still stehen. Nicht an der Kasse, nicht am Spielplatz, nicht am Esstisch, in der Schule nur durch viel Druck und Gruppenzwang.
Als dann ihre ADHS Diagnose im Raum stand und ich vor diesen Checklisten saß, dachte ich: Das kann es nicht sein – beim Voltigiertunier konnte sie 60 Minuten lang still stehen. Sie hat „performt“. Ein Kind, dass 60 Minuten still stehen kann, kann kein ADHS haben…
Falsch gedacht. Gerade weil sie in dieser Drucksituation still stehen kann und es ohne Druck nicht kann, hat sie ADHS!
Es war eine Tuniersituation. Sie wollte eine Medaille. Sie wollte gut sein. Sie hatte einen Haufen Cortisol (Stresshormon), Adrenalin und Noradrenalin (Aufregung, Action) und Dopamin (Freude, Motivation) in ihrem Blut. Und genau unter diesem Neurotransmitter-Cocktail konnte sie „normal“ sein. Dieser Stress hat ihr geholfen. Warum das so ist, können Sie hier (Artikel zu ADHS und Stress) genauer nachlesen.
Es gibt und wird bei ADHS – vorallem beim HI Typen – in denen das ADHS Kind dann plötzlich besonders gut „funktioniert“. (Entschuldigt die Ausdrucksweise.) Denn dann passen die Umgebungsfaktoren zur „Krankheit“. Dann ist genug Dopamin und Noradrenalin vorhanden. Und genau diese Situationen, bei denen andere Kinder vielleicht zusammenbrechen, nicht mitmachen wollen, überfrodert sind. Genau da haben ADHS Kinder (vom HI Typ) ihre Stärke. Aber nicht nur die Kinder – auch die Erwachsenen! (Ein Grund, warum ADHS Menschen häufig im Management anzutreffen sind)