ADHS - was ist ADHS? Überblick

Was ist ADHS?

ADHS ist nicht einfach nur ein kryptisches Kürzel, das nach einem Zungenbrecher klingt: Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Nein, es ist eine echt knifflige Angelegenheit im Gehirn, die sich in verschiedenen Varianten präsentiert und das Leben von Betroffenen und deren Familien ziemlich auf den Kopf stellen kann. Wenn man ADHS richtig auf den Zahn fühlen möchte, sollte man seine verschiedenen Formen kennen und verstehen, was da eigentlich im Gehirn passiert.

Zusammenfassung

ADHS - was ist ADHS? Überblick
ADHS – Was ist ADHS? Ein Überblick

Wie häufig ist ADHS?

Die tatsächliche Prävalenz von ADHS im Erwachsenenalter in Deutschland wird in verschiedenen Studien auf etwa 4.7 % geschätzt, wobei die Mehrheit dieser Fälle unbehandelt bleibt (Zwaan et al., 2012). Wirklich diagnostiziert sind bei den Erwachsenen aber nur 0,2 – 0,4 %. (Bachmann et al., 2017). Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass bis zu 16.4 % der Erwachsenen subklinische ADHS-Symptome aufweisen, was auf eine erhebliche Dunkelziffer hinweist (Faraone & Biederman, 2005).

Woher kommt ADHS?

ADHS wird durch eine Kombination aus genetischen und neurobiologischen Faktoren verursacht. Hauptverantwortlich ist eine gestörte Signalübertragung im Gehirn, insbesondere im Dopaminsystem, das für Aufmerksamkeit und Impulskontrolle zuständig ist. Genetische Veränderungen, wie Mutationen im Dopamin-Rezeptor-Gen, spielen eine entscheidende Rolle. Auch frühe Umwelteinflüsse wie Stress in der Schwangerschaft oder Frühgeburt können das Risiko erhöhen. Doch ADHS ist zu 70-80% vererbt.

Kurz gesagt: Genetik + gestörte Hirnchemie = ADHS.

Deep Dive:
Im Gehirn von Menschen mit ADHS sind insbesondere die Dopaminrezeptoren vom Typ D4 und D2 von Bedeutung. Forschungen zeigen, dass eine genetische Variation im D4-Rezeptor (DRD4), insbesondere die 7-Repeat-Polymorphismus, signifikant mit ADHS assoziiert ist. Diese Genveränderung führt zu einer geringeren Dopamin-Aktivität im Gehirn, was Aufmerksamkeit und Impulskontrolle beeinflusst. Dadurch erklärt sich teilweise, warum Betroffene Schwierigkeiten mit Konzentration und Impulsivität haben (Faraone et al., 2022).

Die Dysfunktion der Dopaminrezeptoren beeinflusst die Dopaminaufnahme und -verarbeitung im Gehirn, was bedeutende Auswirkungen auf Motivation, Aufmerksamkeit und das Verhalten hat. Dopamin spielt eine Schlüsselrolle in unseren kognitiven Prozessen und beeinflusst alles von unserer Fähigkeit, Freude und Belohnungen zu empfinden, bis hin zu unserer Motivation und unserem Antrieb.

Durch das Verständnis dieser neurologischen Unterschiede können wir besser nachvollziehen, warum Personen mit ADHS oft bestimmte Verhaltensweisen zeigen und wie wir ihnen helfen können, effektiver mit ihren Herausforderungen umzugehen.

ADHS ist nicht einfach eine Frage der Disziplin oder Willenskraft; es ist eine tief verwurzelte biologische Realität, die durch angemessene Unterstützung und Strategien gehandhabt werden kann.

Gibt es Geschlechtsunterschiede?

Das Geschlechterverhältnis bei ADHS im Erwachsenenalter zeigt einige interessante Unterschiede:

  1. Prävalenzunterschiede: In der Kindheit wird ADHS häufiger bei Jungen diagnostiziert, im Verhältnis von etwa 3:1 bis 4:1. Bei Erwachsenen verringert sich dieser Unterschied auf 1.6:1 oder sogar weniger, was bedeutet, dass Frauen im Erwachsenenalter häufiger diagnostiziert werden als in der Kindheit (Cortese et al., 2016).
  2. Unterschiede in den Symptomen: Männer zeigen häufiger hyperaktive und impulsive Symptome, während Frauen häufiger die unaufmerksamen Subtypen haben. Frauen berichten auch häufiger von komorbiden Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen (Williamson & Johnston, 2015).
  3. Erwachsenenalter: Es wird geschätzt, dass viele Frauen mit ADHS bis ins Erwachsenenalter unerkannt bleiben, was zu einer höheren Diagnosequote bei Erwachsenen führen könnte. Frauen neigen auch dazu, mehr emotionale Dysregulation und Stimmungsschwankungen zu zeigen als Männer (Robison et al., 2008).

Zusammengefasst: Im Erwachsenenalter nähert sich das Geschlechterverhältnis von ADHS an, da mehr Frauen diagnostiziert werden, die in der Kindheit möglicherweise nicht erkannt wurden.

3 ADHS Subtypen

ADHS ist nicht gleich ADHS. Aktuell wird ADHS in 3 Hauptgruppen unterteilt, wobei die meisten Personen den Mischtypus haben (56 – 70%). Der reine hyperaktiv-impulsive Typ ist mit 2-8% am seltensten.

vorwiegend unaufmerksamer ADHS Typ:

Bei Menschen mit dem unaufmerksamen Typ von ADHS, den man früher schlicht als ADS bezeichnete, ist das Gehirn ein bisschen wie ein verspielter Welpe – es springt von einer Aufgabe zur nächsten, ohne wirklich bei einer Sache zu verweilen. Diese Personen könnten oft das Gefühl haben, dass sie einfach durch Gespräche oder Aktivitäten hindurchgleiten, ohne richtig „da“ zu sein. Stellt euch vor, ihr wollt euch auf einen Film konzentrieren, aber nebenher spielt jemand mit einer sehr interessanten Glitzerkugel – schwer, nicht ständig rüberzulinsen, oder? So ähnlich fühlt es sich für jemanden mit dem unaufmerksamen Typ von ADHS an: alles andere in der Umgebung scheint interessanter zu sein als das, was gerade vor ihnen liegt. Sie können leicht abgelenkt werden, was das Zuhören und das Bleiben bei einer Sache zur echten Herausforderung macht.

Dabei ist interessant, dass Menschen mit dem unaufmerksamen Typ von ADHS typischerweise nicht die gleichen Probleme mit Impulskontrolle und Hyperaktivität aufweisen, wie sie bei anderen Typen von ADHS beobachtet werden. Das bedeutet, sie sind nicht ständig auf dem Sprung oder müssen sich bewegen, wie es bei der hyperaktiven Variante der Fall ist. Ihre Herausforderung liegt vielmehr darin, dass ihr Gehirn sich gerne mal auf Nebenschauplätze verirrt, während die eigentlich wichtigen Dinge unbeachtet bleiben. Es ist, als ob ihr Gehirn sagt: „Schau mal, was da drüben passiert!“ – und das mitten in einer Aufgabe, die Konzentration erfordert. Dies macht es schwierig, konsequent bei der Stange zu bleiben, ohne von dem bunten Treiben des Alltags abgelenkt zu werden.

ADHS Mischtyp:

Der Mischtyp von ADHS, oft als die umfassendste Form der Störung betrachtet, kombiniert die Herausforderungen der beiden anderen Typen – die Unaufmerksamkeit und die hyperaktive, impulsive Verhaltensweise. Stellen Sie sich vor, Ihr Gehirn ist ein Zirkusdirektor, der gleichzeitig Akrobaten und Raubtiere koordinieren muss – es ist eine ständige Gratwanderung zwischen Konzentrationsschwierigkeiten und überschießender Energie.

Menschen mit diesem Typ von ADHS können es schwer finden, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, während sie gleichzeitig gegen den Drang ankämpfen, sofort zu handeln. Das macht es besonders schwierig, Aufgaben zu priorisieren und zu organisieren, denn ihre Gedanken und Körper sind ständig in Bewegung. Sie könnten in einem Moment von einer Aufgabe abgelenkt werden und im nächsten bereits impulsiv eine Entscheidung treffen, ohne die Konsequenzen vollständig zu bedenken.

Diese dynamische Mischung aus Verhaltensmustern kann im Alltag für Unvorhersehbarkeit sorgen, bietet aber auch eine einzigartige Perspektive und oft eine Fähigkeit zur Multitasking-Leistung, die bei den anderen Typen weniger ausgeprägt ist. Der Schlüssel zur Bewältigung des Mischtyps liegt oft in einer sorgfältig ausbalancierten Kombination aus Struktur und Flexibilität, die es den Betroffenen erlaubt, ihre Energie und Aufmerksamkeit effektiv zu kanalisieren.

vorwiegend hyperaktiver-impulsiver ADHS Typ

Im Gegensatz dazu zeigt der hyperaktive und impulsive Typ von ADHS eine Welt voller ungestümer Energie und spontaner Entscheidungen. Stellen Sie sich vor, das Gehirn ist wie ein Feuerwerk, das in alle Richtungen Funken sprüht – es ist immer in Bewegung, immer am Zappeln. Diese Menschen sitzen selten still; sie sind die, die im Klassenzimmer mit dem Stuhl kippeln oder während einer Besprechung ständig mit dem Fuß wippen.

Ihre Impulsivität bedeutet auch, dass sie oft handeln, bevor sie denken. Es ist, als ob ihr Gehirn einen Schnellstartmodus hat, der die „Pause“- oder „Überlegen“-Tasten überspringt. Das kann zu spontanen, manchmal unüberlegten Aktionen führen, wie einem plötzlichen Schrei mitten im Unterricht oder einem unerwarteten Kauf, der nicht im Budget war. Diese ungebremste Spontanität kann charmant sein, aber auch Herausforderungen in sozialen Interaktionen und alltäglichen Aufgaben mit sich bringen, da die überschüssige Energie und die mangelnde Selbstkontrolle oft schwer zu kanalisieren sind.

Gibt es auch gute Seiten von ADHS? Oh JA!

Neben all dein Einschränken haben Menschen mit ADHS aber auch bewiesener Maßen absolute Stärken. Deswegen ist ADHS aus meiner Sicht auch mehr eine Konstitution, Veranlagung oder persönliche Neigung und keine klassische psychische Störung, die man im selben Zug mit Angststörungen oder Depressionen nennen kann. Deswegen auch der Begriff der Neurodiversität (der neben ADHS auch ASS (Autismus Spektrum Störung), Hochsensibilität und Hochbegabung mit einschließt.

  1. Kreativität und divergentes Denken: Menschen mit ADHS zeigen häufig eine erhöhte Fähigkeit zu kreativem Denken und der Entwicklung origineller Lösungen. Ihr divergentes Denken erlaubt es ihnen, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten (Schippers et al., 2022).
  2. Hohe Energie und Dynamik: Personen mit ADHS berichten oft von gesteigerter Energie und Tatendrang, was in einem produktiven Umfeld von Vorteil sein kann (Sedgwick et al., 2018).
  3. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: ADHS-Betroffene können sich schnell auf neue Situationen einstellen, da ihre kognitive Flexibilität es ihnen erlaubt, spontan und anpassungsfähig zu reagieren (Schippers et al., 2022).
  4. Hyperfokus: Während Aufmerksamkeitsprobleme häufig sind, erleben Menschen mit ADHS auch Episoden intensiver Konzentration auf spezifische, besonders interessante Aufgaben, was zu hoher Produktivität führen kann (Sedgwick et al., 2018).

Diese positiven Eigenschaften können Menschen mit ADHS in kreativen und dynamischen Umfeldern einen besonderen Vorteil verschaffen. Mehr dazu in diesem Artikel über 13 Stärken von Menschen mit ADHS.

Was kann man nun tun?

Mein erster Schritt, den ich jeder Person empfehle, die eine frische Diagnose hat ist: WISSEN über ADHS! Lernt, saugt auf, versteht ADHS. Aber seid vorsichtig, wenn ihr auf Social Media unterwegs seid und das als Informationsquelle nutzt. Hier wird viel Falschinformation verbreitet, weil ADHS gerade „in“ ist.

Die effektivsten Maßnahmen gegen ADHS-Symptome bei Erwachsenen basieren auf einer Kombination aus pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Ansätzen:

  1. Medikamentöse Behandlung: Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamine sind die am besten untersuchten und wirksamsten Mittel zur Behandlung von ADHS-Symptomen bei Erwachsenen. Diese Medikamente verbessern Aufmerksamkeitsdefizite und Impulsivität signifikant (De Crescenzo et al., 2016).
  2. Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): CBT hat sich als sehr wirksam bei der Reduktion von ADHS-Symptomen erwiesen, besonders in Kombination mit Medikamenten. Sie hilft Betroffenen, effektive Strategien zur Organisation, Planung und Emotionsregulation zu erlernen (Pan et al. 2019).
  3. Achtsamkeitsbasierte Interventionen: Achtsamkeitstraining hat sich ebenfalls als hilfreich bei der Verbesserung von Aufmerksamkeitsproblemen und emotionaler Dysregulation erwiesen, insbesondere bei Patienten, die zusätzliche Unterstützung neben der Medikation suchen (Poissant et al., 2020).
  4. Neurofeedback und Coaching: Neben Medikamenten zeigen neue Ansätze wie Neurocognitive Rehabilitation (Pahlevanian et al. 2015) gute Ergebnisse bei der Behandlung von ADHS. Diese Methoden können die Wirkung von Medikamenten unterstützen und helfen, die Symptome besser zu kontrollieren.

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